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Freitag, 27. April 2012

Geister, Seelen und der Tod

Nach den eher "sonnigen" Posts der letzten Tage heute ein Post, der gleichzeitig das krasse Gegenteil und doch irgendwie das Gleiche ist: ein Religionspost. Alle, die nichts von anderen Religionen als ihrer eigenen hören wollen und/oder nicht offen für andere Glaubensrichtungen als die großen sind, sollten vielleicht lieber erst beim nächsten Beitrag wieder einsteigen - keine Sorge, die Religion wird kein Hauptthema dieses Blogs werden. Von allen anderen würde ich sehr, sehr gerne Kommentare hören.

In den letzten fünf Wochen gab es im engeren und weiteren Umfeld einige Todesfälle - Familie, Freunde, Bekannte, Familie von Bekannten. Ob man die Tatsachen, dass sie samt und sonders krankheitsbedingt waren und die Personen selbst doch einige Gemeinsamkeiten hatten, nun als Zufall sieht oder auch nicht, überlasse ich jedem selbst zu entscheiden und möchte ich auch nicht zum Thema dieses Beitrags machen.

Statt dessen möchte ich mich auf die Hintergründe zu einer Fragen konzentrieren, mit der ich wohl einige verwirrt habe - "Was meinst du, wohin sein/ihr Geist weitergegangen ist?". Gemeint ist dabei nicht die Seele. Der Geist ist der wesentliche Inhalt meines Glaubens und deswegen möchte ich hier kurz erklären, was damit gemeint ist.

Ich glaube fest daran, dass jedes Lebewesen aus den gleichen drei Teilen besteht:
Dem Körper - dem, was "der Rest der Welt" nach Außen von uns mit bekommt.
Der Seele - das, was uns als Person auszeichnet, Gedanken, Gefühle und Charakterzüge.
Und dem Geist - dem Anteil am Leben selbst. Jedes Wesen auf dieser Welt hat seinen eigenen, gleich großen Anteil am Leben. Nichts und niemand hat einen besonders großen oder besonders kleinen Anteil davon, sondern jeder ist gleichwertig. In einer wirklich interessanten dreistündigen Diskussion mit einer Zeugin Jehovas habe ich einmal festgestellt, dass das, was ich als "Leben" bezeichne, Parallelen aufweist zu dem, was manche Christen (und verwandte Religionen) meinen wenn sie sagen "Gott ist in allem." Genau aus diesem Grund lehne ich auch den Glauben an Götter ab - wenn ein Wesen tatsächlich mehr Leben, mehr Macht hätte als der Rest, würde das Gleichgewicht der Welt zusammenbrechen. Deswegen richten sich alle, die versuchen Macht über andere zu erlangen, auch ganz schnell selber zu Grunde.

Dieser Glaube daran, dass alles Leben gleichwertig ist, führt im Alltag oft zu hitzigen Diskussionen mit Freunden, Verwandten, Bekannten und auch Fremden. Für mich ist es das Gleiche, ob man nun eine Mücke totschlägt oder einen Menschen. Ob man aus Langeweile Grashalme ausreißt oder einem Vogel die Flügel bricht. Auch wenn ich auf die Frage, warum ich kein Vegetarier bin, mit Sätzen wie "Warum ist es weniger okay, eine Kuh zu töten als z.B. eine Salatpflanze?" antworte, ernte ich oft unverständliche Blicke. Ich denke, die Menschen sollten einfach wieder lernen, nur das zu töten/verletzen, was sie auch brauchen, so wie es der Rest der Natur auch tut. Und dabei ist es völlig egal, worum es sich handelt.

Nach dem Tod vergeht der Körper. Dazu muss wohl nicht viel gesagt werden. Was mit der Seele passiert, ist in der Quelle, auf der sich mein Glaube stützt, leider nicht überliefert (in dem Buch fehlen Seiten), und meine eigene Vorstellung davon hat sich über die Jahre immer wieder verändert. Ich denke, dazu muss jeder sein eigenes Bild finden, mit dem er glücklich wird - wie sowieso bei allen religiösen Vorstellungen. Doch was passiert mit dem Geist, dem Anteil am Leben der Welt, an "Gott"? Er muss weitergehen, damit das Leben in seiner Gesamtheit gleich bleibt, und geht über in irgendetwas neugeborenes.

Mich tröstet der Gedanke, dass der Geist versucht, nach dem Tode zu etwas zu gehen, wozu der Verstorbene im Leben einen besonderen Bezug hatte. Der Geist eines Mannes, der Hunde liebte, findet sich nach seinem Tod vielleicht in einem kurz darauf ein paar Häuser weiter geborenen Welpen wieder. Der Geist einer Frau, die nur bei langen Spaziergängen im Wald wirklich zur Ruhe kommen konnte, siedelt sich vielleicht in einem gerade keimenden Eichenschößling an. Und der Geist eines Mannes, der immer gerne reiste und sich nirgends lange zu Hause fühlte, fegt vielleicht mit einem kräftigen Windstoß durch die Lande.

Und so geht eben die Frage an alle, die jemanden verloren haben: Was meinst du, wohin ist sein/ihr Geist gezogen? Denn es ist nicht direkt eine Frage nach der Zukunft - vielmehr eine Frage danach, wie man die betreffende Person gekannt hat, was sie ausgezeichnet hat und womit man sie gerne in Verbindung bringen würde. Eine Frage, die gute Erinnerungen weckt und ein Gedankengang, der es zumindest bei mir immer schafft, mir ein Lächeln zu entlocken...

Mittwoch, 21. Dezember 2011

Nacht der Erinnerungen

Da ich in letzter Zeit immer wieder gefragt wurde, wie ich Sonnenwende feier und was dieses Fest für mich bedeutet, nutze ich den heutigen Feiertag (und die Tatsache, dass mir 8 Stunden Arbeit an einem Feiertag mehr als genug erscheinen...) doch einfach mal, um euch einen kleinen Einblick in meine Religion zu bieten...


Traditionell ist die Wintersonnwende, also die längste Nacht des Jahres, in meinem Glauben die "Nacht der Erinnerungen". Der Grundgedanke dahinter ist, dass es die Verstorben verdienen, eine ganze Nacht lang an sie zu denken - und dass nur diese eine Nacht im Jahr lang genug dazu ist. Es ist jedoch bei weitem kein trauriges Fest - im Gegenteil, man lässt die positiven Erinnerungen wieder aufleben und ist dankbar dafür, wie diese Leute das eigene Leben mit geprägt haben. Für jeden der Verstorbenen, die das eigene Leben mit bestimmt haben, werden Schneelichter entzündet, die ganz allein für diese Person und für die mit ihr verbundenen Erinnerungen brennen. Wenn man zu zweit an die gleiche Person denkt, werden auch zwei Lichter gebaut - schließlich hat jeder seine eigenen Erinnerungen und Gedanken zu den Verstorbenen, die sich von den Gedanken anderer unterscheiden.

Für diejenigen, die noch nie Schneelichter gebaut haben, hier ein frisch gegoogletes Bild - von meinen eigenen der vergangenen Jahre habe ich leider keine Bilder, und in diesem Jahr liegt noch nicht genug Schnee, so dass ich diesen Teil ein paar Tage nach hinten verschieben muss.

Zusätzlich zu den Schneelichtern entzünden wir oft Lagerfeuer, an denen die ganze Nacht zusammengesessen, geredet und musiziert wird. Es werden Geschichten und Erinnerungen ausgetauscht, es wird gemutmaßt, wie die Verstorbenen wohl auf die Veränderungen seit ihrem Tod reagieren würden, es werden alte Lieblingslieder aller Beteiligten (sowohl lebend als auch tot) und erst recht Musik ausgegraben, die mit Erinnerungen verknüpft ist. In den letzten Jahren habe ich oft mit Leuten aus anderen Glaubensrichtungen zusammengefeiert - die Sonnwende ist ja für viele ein heiliger Tag, und das Grundprinzip "Feuer und Musik" haben die meisten von ihnen gemeinsam.


Und an wen ich mich erinnere? Nun, da gibt es einige Menschen, die ich noch immer sehr liebe... Vielleicht verfälschen die Gefühle manchmal die Erinnerungen, weil man die schlechten Momente ausblendet, und doch werden mir diese Menschen wohl immer wichtig bleiben. Ich schreibe bewusst nichts zu den Todesursachen - wer es wissen will, soll fragen, aber so etwas gehört nicht in die vielen schönen Erinnerungen...

Christian Alexander "Chris" Wagner

Meine erste große Liebe, den ich noch heute immer wieder sehr vermisse. Verstorben am 22.10.2001 im Alter von nur 16 Jahren. Was Chris und ich hatten... Nun, es hat über acht Jahre gedauert, bis ich wieder eine richtige Beziehung führen konnte, ich glaube das sagt schon das allermeiste über uns aus. Ein begnadeter Musiker und Künstler, ein Ruhepol im Leben unserer Chaostruppe, ein Geschichtenerzähler sondergleichen. Einfach ein Mensch, ohne den dieser Welt etwas fehlt, und bei dem es schade ist, dass er nie dazu kam, sein Potential auszuleben. Es war eine tolle Zeit, die mich sehr geprägt hat, und ohne ihn hätte ich wohl weder zu meiner Musik noch zu meinem Glauben gefunden.

Matthias "Thes" Breitmann

Mein Thes. Mein bester Freund. Mein Lebensretter in mehr als einer Hinsicht, der am Ende sogar sein Leben opferte, um seine Freunde (in diesem Falle mich) vor Schaden zu bewahren - und wahrscheinlich werde ich niemals aufhören können, mir eine Teilschuld an seinem Tod zu geben, auch wenn er es selber nie so sehen oder gar bereuen würde. Ebenfalls ein begnadeter Musiker, allerdings eher Sänger als alles andere. Und vor allem... Ein Mensch, auf dem man sich in jeder Situation verlassen konnte, der immer mit Rat und Tat oder auch nur zum Zuhören da war. Manchmal etwas aufbrausend, wenn er Angst um die Freundschaften innerhalb unserer "Familie" hatte, aber am Ende immer der Helfer in jeder Not. Er ist auf jeden Fall mit daran schuld, dass meine Freunde für mich das Wichtigste im Leben sind und ich für jeden einzelnen davon wirklich alles tun würde - er hat mir gezeigt, was wahre Freundschaft wirklich bedeutet, und dass sie wichtiger ist als das eigene Leben.

Inge Wittlich

Meine Großtante väterlich-mütterlicherseits. Eine tolle Frau, auf deren Hof ich in meiner Kindheit immer einen Teil meiner Ferien verbracht hat, und eine der für mich wichtigsten Personen in meiner Familie. Die Ferien bei ihr zählen zu den schönsten Erinnerungen meiner Kindheit und sind wohl maßgeblich an meiner Naturverbundenheit mit beteiligt. Einfach verdammt schwer in Worte zu fassen...

Waltraud Renate "Rena" Galanni

Meine "dritte Oma" - die Oma meines besten Freundes aus der Zeit mit Chris und Chris' "Adoptivoma". Ich habe nie jemanden kennen gelernt, der in seinem Leben so viel erlebt hat (ja, ihre Lebensgeschichte sieht ähnlich chaotisch aus wie meine - und das über mehr als 80 Jahre!) und trotzdem immer wieder an die Oberfläche geschwommen ist, nie die Hoffnung aufgegeben und ihre gute Laune nie verloren hat. Es gehört viel dazu, nach dem Tod von Mann, Sohn und Schwiegertochter den Enkel so wunderbar großzuziehen, mit Mitte 70 noch Tankklassen in Onlinerollenspielen zu spielen und mit 79 nochmal eine zweimonatige Rucksacktour quer durch Europa zu machen. Sie ist und bleibt mein großes Vorbild - so wie sie möchte ich mein Leben leben. Nie aufgeben, sich von keinem Schicksalsschlag die Laune verderben lassen und sich einfach nie verstellen, sondern das Leben leben, so wie man ist - egal was der Rest der Welt sagt.

Erna Weingardt

Meine Uroma väterlich-mütterlicherseits, von der ich leider viel zu wenig mitbekommen habe. Sie litt bereits in meiner Kindheit an Alzheimer und redete mich zwischendurch immer wieder mit "Hedwig", dem Namen meiner Großmutter und ihrer ältesten Tochter an - und viele Jahre später, als ich alte Photos sah, wusste ich plötzlich auch warum: dem alten Ausweisphoto meiner Omi sehe ich ähnlicher als meinem eigenen. Die Besuche bei Uroma waren immer wieder wunderschön und gleichzeitig so frustrierend, weil ich so gerne mehr über die Vergangenheit erfahren hätte in der sie zur Hälfte zu leben schien... Ich habe einige sehr schöne Erinnerungen an gemeinsame Spaziergänge mit ihr und an Nachmittage bei ihr in der Küche, wo sie den ganzen Tag am Stricken war, weil sie ungern untätig herumsaß... Kommt euch das irgendwoher bekannt vor? ;)

Neben diesen fünfen, die mir unglaublich viel bedeuten, entzünde ich auch noch ein Licht für den sechs Wochen nach Chris verstorbenen Mann meiner Tante, dessen Tochter (mein ältestes Patenkind) damals erst zweieinhalb Monate alt war und ihn nie kennengelernt hat. Ich habe nie genug mit ihm zu tun gehabt, um viele Erinnerungen an ihn zu haben, aber irgendwie hat sein Tod mein Leben doch indirekt (über die stärker davon betroffenen Teile der Familie) maßgeblich mitbestimmt. Deswegen bekommt auch er jedes Jahr ein Schneelicht.

Möchtet ihr in Zukunft mehr Informationen zu meinem Glauben und seinen Eigenheiten? Oder soll ich lieber bei Musik, Handwerk, Essen und Rollenspielen bleiben? Ich bitte um Rückmeldung ;)


Und an wen denkt ihr in dieser Nacht? Für wen brennen eure Kerzen?